KitKat, Sexismus und das Anrüchige
KitKat, Sexismus und das Anrüchige
Sarah Julia Sabukoschek ist eine junge, sehr talentierte und vielschichtige Persönlichkeit. Ursprünglich aus Graz, Österreich, zog sie vor kurzem nach Berlin, um ihren Traum zu leben.
Sarah, wie gefällt Dir die Hauptstadt, was findest Du besonders und was abstoßend?
Die Entscheidung nach Berlin zu kommen war eine der bedeutsamsten und besten Entscheidungen meines Lebens. Ich liebe die Aufgeschlossenheit von Berlin. Ich liebe die Exzentrik, die Individualität der Menschen, genau diese Menschen machen Berlin auch so schön. Diese freie und alternative Art zu leben hat mich angezogen. Berlin fühlt sich für mich wie eine riesige Leinwand an, die von allen bemalt werden darf. Abstoßend finde ich hier eigentlich gar nichts, nur unfassbar traurig und real wie viele obdachlose und arme Menschen es hier gibt. Die Gefahr auf andere Menschen zu vergessen und zu egoistisch zu sein besteht denke ich leider in den meisten Großstädten.
Was suchst Du in Berlin?
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich auf der Suche bin. Es fühlt sich für mich momentan einfach richtig an in Berlin zu sein. Ich werde täglich von den unterschiedlichsten Dingen inspiriert und ich mag es so viele aufgeschlossene Menschen um mich zu haben. Gerade bin ich in einer sehr kreativen Schaffensphase und die möchte ich hier definitiv noch weiter ausleben und noch mehr Leute daran teilhaben lassen.
Deine Präsenz auf den sozialen Medien sprudelt von feministischen Aussagen. Chapeau für Deinen Mut, in so jungen Jahren, so viel aufm Punkt zu bringen! Was läuft aus Deiner Sicht schief in der Gesellschaft? Wie siehst Du die Rolle der Frau heute? Was muss noch dringend verändert werden?
Das ist der rote Faden, der sich durch sehr viele meiner Arbeiten zieht. Egal ob das Malereien, Grafiken, Filme oder Texte sind. Als Frau bin ich natürlich täglich von Alltagssexismus betroffen. Unterdrückung und Gewalt an Frauen ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Riesenproblem. Ich kenne keine einzige Frau, die noch nie von sexueller Gewalt oder Sexismus betroffen war. Der unterschiedliche Umgang mit Männern und Frauen führt zu verheerenden Folgen für Frauen und mit diesen Themen sollten wir uns alle mehr auseinandersetzen. Darüber kann ich einfach nicht schweigen.
Das junge Mädchen malt eine nackte Frau mit gespreizten Beinen. Ich schaffe somit unmissverständlich die Konfrontation mit weiblicher Sexualität und allem was man damit verbindet – privat sowie gesellschaftlich. Das provoziert natürlich, dessen bin ich mir bewusst. Doch dann beginnt man sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und warum das eigentlich provoziert und man hinterfragt bestenfalls das gesellschaftliche Rollenbild der Frau. Eine Frau, die zu ihrer Sexualität steht oder sie thematisiert wird direkt als unseriös, inkompetent und als schlechtes Vorbild abgestempelt. Die Tatsache, dass weibliche Sexualität für viele als schamhaft, unsittsam oder gar eklig gilt, ist ein Problem, auf das ich dringend aufmerksam machen möchte.
Erzähl uns von Deiner Zusammenarbeit mit dem KitKat Club Berlin?
Ich lernte durch Zufall den Veranstalter einer der erfolgreichsten und bekanntesten Fetisch-Partys im Berliner KitKat Club kennen. Er mochte meine Kunst und unterstützte mich. Bis vor kurzem lief dort noch jeden Mittwoch ein Film, der inspiriert vom KitKat entstanden war. Dieser Film war von Anfang an ein großartiges Projekt, ich durfte mit vielen interessanten und liebenswerten Menschen zusammenarbeiten. Das hat meinen Horizont auf jeden Fall erweitert.
Dein Verhältnis zum Fetisch….Muss man heute nicht ein wenig fetischistisch sein, um aufzufallen, um gehört zu werden, um „cool“ zu sein?
Ich würde mich selbst als fetisch-positiv bezeichnen. Das heißt, ich bin der Meinung, man sollte jeden Fetisch frei ausleben dürfen ohne dafür verurteilt zu werden. Solange alles einverständlich ist natürlich. Ich finde, dass das jedem selbst überlassen ist und genau das ist auch meine Message: es ist egal wie und mit wem du deine Sexualität auslebst, vor allem als Frau, hängt das in keiner Weise mit ihrem Wert, ihrer Seriosität, ihrer Meinung, ihrer Karriere oder sonst was zusammen und darf diese Bereiche nicht beeinflussen.
Shooting für Kaltblut Magazin mit Sarah Julia Sabukoschek
Photo: Sebastian Pielles @piellesshots
Styling: Tianyang Li @tymakelk
Make Up/Grooming: Melanie Hoppe @melanie.hopp
Sarah Julia Sabukoschek @missirajin
Muss man laut sein, um heute über sich selbst zu reflektieren?
Ich finde es ist ganz egal ob man laut oder leise, gemeinsam, alleine oder sonst wie reflektiert. Wichtig ist in erster Linie, dass man es regelmäßig tut. Wer etwas verändern möchte, sollte aber im nächsten Schritt auch in irgendeiner Form laut sein, helfen die Leute aufzuklären und wachzurütteln.
Du zeigst Dich auf Instagram ziemlich frivol. Ich will nicht prüde klingen, aber was sagen Deine Eltern?
Tatsächlich gilt es heutzutage bei uns als frivol, wenn man freizügig ist oder seinen nackten Körper zeigt. Einerseits, weil Nacktheit generell als etwas Unanständiges gilt, andererseits, weil Frauen überall und permanent gegen unseren Willen sexualisiert werden. Um aus diesem Bild der sexualisierten Frau auszubrechen, braucht es Frauen die sich das zurückerobern. Frauen, die für ihre eigene und die Selbstbestimmung anderer kämpfen trotz des vielen Gegenwinds. Meinen Eltern habe ich versucht das genau so zu erklären und ich glaube sie verstehen es. Jedenfalls unterstützen sie mich stets darin meinen Traum zu leben.
Hast Du ein Fabel fürs Anrüchige, Grenzwertige?
Absolut. Genau das sind oft jene Themen, wo es am meisten Probleme gibt. Die werden dann einfach totgeschwiegen oder an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Trotzdem sind das Themen, die uns alle direkt oder indirekt betreffen und dort liegen meiner Meinung nach auch die größten Wachstumsmöglichkeiten. Wenn so etwas dann durch meine Kunst sichtbar wird, ist das wieder für viele wieder grenzwertig. Aber es wirkt.
Siehst Du die ungeschriebenen Insta-Konventionen / Stereotypen in Bezug auf den weiblichen Körper nicht ein wenig kritisch? Und was tust Du um sie zu brechen?
Ich finde das Bild der Frau in den sozialen Medien ist definitiv problematisch in mehreren Aspekten. Fast überall geht es darum als Frau möglichst begehrenswert und schön zu sein. Das unterstützt und predigt nicht nur sexistische Rollenbilder, sondern verursacht massenweise verunsicherte Frauen und Mädchen.
Andererseits gibt es dann wieder Bodypositivity-Bewegungen, die ja einen durchaus positiven Ansatz haben. Viele Frauen vermarkten sich aber heutzutage selbst auf Instagram. Ob das mehr oder weniger konventionell, sollte jeder Frau selbst überlassen sein. Trotzdem sollte natürlich berücksichtigt werden welche Wirkung das auf Jugendliche haben könnte. Ich versuche da aufzuklären und zeige beispielsweise meine Achselhaare. Das mag auf den ersten Blick albern erscheinen, aber damit möchte ich symbolisieren, dass es in Ordnung ist wenn man nicht den klassischen Schönheitsidealen entspricht oder jedem Trend folgt und dass man sich immer schön finden darf, egal wie man aussieht. Man darf sich von der Werbung nicht zu sehr beeinflussen lassen und sollte sorgsam wählen, welche Personen man auf Social Media verfolgt.
Welche Vision hast Du für die zeitgenössische Kunst?
Ich würde mir mehr Kunst im Alltag wünschen. Kunst, die nahbarer ist, Kunst, die tiefgründig ist, Kunst, die lebendig ist und vor allem Kunst, die für alle zugänglich ist und nicht wie eine abgeschnittene Welt für sich. Ich würde mir außerdem wünschen, dass die vertretene zeitgenössische Kunst diverser wird, dass viel mehr junge Künstler*innen, Frauen und queere Menschen Raum und Aufmerksamkeit bekommen.
Wie verbindest Du Kunst und Mode in Deinem Schaffen?
Meine Version der Bomberjacke aus der Kollektion #ichtragemeinselbst mit dir, Paulina, war mein erstes Projekt, in dem ich meine Kunst und Mode direkt kombiniert habe. In Zukunft wird in diesem Bereich bestimmt noch mehr kommen, ich habe da sogar schon einige Ideen für getragene Kunstwerke.
Dein Bezug zur LGBTQ-Community?
Ich bin mir als weiße Frau in Deutschland meiner Privilegien bewusst und finde wir alle sollten diese nutzen um die Minderheiten, jenen, die diskriminiert werden und jeden Tag damit konfrontiert werden, dass die Gesellschaft sie in großen Teilen nicht toleriert, im Kampf um ihre Rechte zu unterstützen.
Deine Zukunftsvisionen für Dich beruflich und privat?
Ich finde bei mir vermischt sich das Private und Berufliche oft, aber ich möchte in Zukunft auf jeden Fall noch mehr öffentliche Projekte machen, mehr Menschen mit meiner Kunst erreichen und Kunst im Alltag schaffen. Ich möchte meine Technik verbessern, ausbauen und noch unendlich viele Ideen realisieren. Meine Bilder werden in Zukunft noch größer ausfallen und ich wünsche mir natürlich ein immer größer werdendes Publikum, das sich mit meiner Kunst und dem was ich mache auseinandersetzt. Privat möchte ich mich weiterentwickeln und auch politisch noch mehr aktiv werden.
Instagram-Post von @paulinasfriendsfashion mit Sarah Julia Sabukoschek
Liebe Sarah, vielen Dank für dieses wundervolle Interview!
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