Es gibt auch ein Leben vor dem Tod…
Ein Interview mit Lydia Gastroph, Inhaberin des Labels zur Förderung der Sterbe- und Lebenskultur w e i s s über den tod hinaus
Text: Paulina Tsvetanova
Liebe Lydia, Du kuratierst und verkaufst künstlerisch gestaltete Urnen und Särge von anerkannten und angehenden Kunsthandwerkern und Designern. Ein sehr unkonventioneller, innovativer Job! Nicht zufällig referierst Du als Vorbild-Gründerin beim jährlichen Entrepreneurship Summit. Ist Dein Job Deine Berufung?
Liebe Paulina, ja, in meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus verkaufe ich von namhaften Künstlerinnen und Künstlern entworfene und von ihnen selbst angefertigte Särge, Urnen und Trauerschmuck. Gleichzeitig kuratiere ich Ausstellungen in Galerien, Hospizen, Kirchen und an anderen schönen oder außergewöhnlichen Orten zum Thema Abschiedskunst. Einen „Sargladen“ als Pop up Store in der Münchner Innenstadt habe ich auch schon betrieben. Auf vielfachen Wunsch meiner Kunden bin ich mittlerweile auch Bestatterin geworden. All meine Kraft, mein Durchhaltevermögen, meine Begeisterung, unendlich viel Zeit, Energie, Motivation und Liebe stecke ich in dieses Unternehmen. Es ist meine Berufung, meine Herzensangelegenheit.
Dein Unternehmen w e i s s über den tod hinaus enttabuisiert das Thema Tod, Abschiednehmen, Sterben. In Deutschland wie in anderen Wohlstandsgesellschaften leider sehr verdrängt und unbequem. Heutzutage tun wir ja alles Mögliche um uns selbst zu optimieren und selbst den Tod zu umgehen, verhindern, nach hinten zu verschieben. Warum eigentlich? Der Tod ist eigentlich ganz normal und gehört zum Leben. Ist Deine Firma aus dem tiefen Wunsch nach gesellschaftlichem Umdenken entstanden, oder gab es eine persönliche Geschichte?
Grundsätzlich versuche ich, Vorhandenes zu hinterfragen und neu zu denken: Muss es zwingend so sein wie es ist? Gibt es Möglichkeiten etwas zu verbessern, zu verschönern, menschlicher, nachhaltiger, umweltfreundlicher zu gestalten? Dabei bin ich zum radikalen gesellschaftlichen Umdenken bereit. Es erfordert Mut, sich dem Tabuthema Tod zu stellen und sich mit Grenzerfahrungen auseinander zu setzten. Tief berührt war ich als junges Mädchen vom Tod meiner Schulkameradin, die mit 17 Jahren an Leukämie gestorben ist. Bei Ihrer Beerdigung empfand ich den altmodischen, schweren, massiven Sarg als nicht zu ihr passend. Ich fragte mich bei Beerdigungen später oft, ob das was ich da sah, wirklich so trostlos, und ein Sarg industriell gefertigte Massenware sein muss. Das Schlüsselerlebnis zur Gründung meines Unternehmens war dann die Diagnose einer unheilbaren Krebserkrankung meiner jüngeren Schwester. Dadurch wurde bei mir ein Prozess der tiefgreifenden persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben, Tod und Abschied nehmen in Gang gesetzt. Meine Schwester wollte ihren letzten Abschied selbst gestalten und ich wollte noch etwas Schönes für sie tun, einen letzten Liebesdienst sozusagen. So machte ich es mir mit meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus zur Aufgabe, dem von mir schon lange empfundenen Defizit in unserer Trauerkultur eine ästhetische, künstlerische, individuelle Abschiedsgestaltung entgegenzusetzen.
Deine „Produkte“ sind Begräbniskunst, die sich schon zu Lebzeiten als Truhe, Urne, Schrank, Sitzbank etc. verwenden lässt. Ist die Multifunktionalität der schlichten, modernen Gefäße aus verkaufstechnischen Gründen gewollt oder bewusst ins tägliche Leben integriert, damit die Kunden von der „Urfunktion“ der Gefäße nicht abgeschreckt werden?
Ich lege sehr großen Wert auf die Ästhetik, die Schönheit und die hochwertige künstlerische und handwerkliche Gestaltung der letzten Dinge. Unser Gehirn reagiert auf unangenehme visuelle Reize mit Angst und Ablehnung. Deswegen halte ich es für klug, der Unfassbarkeit des Todes eine bewusste, künstlerische Gestaltung entgegenzusetzen. Da sich meine Produkte sowohl die Särge, als Möbelstücke, als auch die Urnen als Vasen oder Gefäße problemlos in ein modernes Wohnumfeld integrieren lassen, haben wir die Möglichkeit uns alltäglich mit dem Tod – der ja jederzeit in unser Leben treten kann – auseinander zu setzten. Ganz pragmatisch gesehen ist die Multifunktionalität der Gegenstände sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Wenn wir bedenken, dass jeder Einzelne von uns per Gesetzt im Sarg beerdigt oder verbrannt werden muss, so ist es doch sinnvoll, diesen schon zu Lebzeiten als Schrank oder Truhe zu benutzen.
Viele junge, gesunde, lebende Menschen kaufen sich solche Urnen und Särge und stellen sich diese ins Wohnzimmer. Ist das nicht ein wenig gruselig? Möchten sich diese auf einer künstlerischen Ebene mit der eigenen Vergänglichkeit, mit dem Unbegreiflichen und Unkontrollierbaren auseinandersetzen?
Meine Erfahrung im Umgang mit den letzten Dingen hat gezeigt, dass diese Produkte die Menschen zum Nachdenken anregen und sie Erleichterung verspüren, endlich mal auf ganz unbefangene Weise über das Thema Tod kommunizieren und Fragen stellen zu dürfen. Menschen, die ganz bewusst ihre Beerdigung vorbereiten wollen, haben mir mitgeteilt, dass es für sie beruhigend ist, ihre letzte Behausung zu kennen. Es öffnet den Weg, sich auch mit den Angehörigen und Freunden über Sterben, Tod und Bestattung auszutauschen und Wünsche zum eigen Abschied formulieren zu können. Bei Gästen und Freunden, die mich zu Hause besuchen, beobachte ich ein großes Erstaunen darüber, wie schön das aussehen kann und wie unproblematisch es sich anfühlt, zwischen den unzähligen Särgen und Urnen – die meine Wohnung bevölkern – zu leben. Hier gruselt sich niemand vor meinem Sargschrank, der in meinem Wohnzimmer steht, im Gegenteil es regt zur Nachahmung an. Man kann ganz einfach begreifen: Der Tod gehört zum Leben dazu.
Seltene, individuelle Särge und Urnen sind ein Teil der „künstlerischen Inszenierung des Todes“. Ist diese Vorstellung nicht etwas pietätlos aus christlicher Sicht?
Für mich selbst und für andere zu sorgen, mir selbst und meinen Mitmenschen Liebe und Wertschätzung entgegen zu bringen ist ein christliches Gebot. Dieses Gebot endet nicht mit dem Tod eines Menschen. Individuelle Gestaltung der „letzten Dinge“ ist wie ein letzter Liebesdienst. Jemandem auf seine „letzte Reise“ etwas besonders schönes mitgeben zu wollen, ist Ausdruck einer besonderen Wertschätzung. Vor zwei Jahren bin ich zum katholischen Glauben konvertiert, nicht zuletzt weil mich künstlerisch gestaltete Kirchenräume anziehen und faszinieren. Wären diese Räume dann etwa auch pietätlos aus christlicher Sicht?
Deine Kundschaft legt sicherlich einen hohen Wert auf ästhetische Gestaltung, Nachhaltigkeit und ethische Werte. Das kann den Verstorbenen trotzdem nicht ins Leben zurückholen, dennoch die Trauer etwas mildern und verschönern. Wie würdest Du Deine Kunden beschreiben?
Meine Kunden sind meistens Menschen, die sich mit Kunst, Kultur und Gestaltung auseinander gesetzt haben, oder aus diesem beruflichen Umfeld kommen und so beerdigt werden wollen, wie sie gelebt haben. Viele stammten zunächst aus meinem künstlerischen Freundeskreis. Sie waren begeistert, dass ich etwas anbieten konnte, was zu ihren Vorstellungen und ihrer Lebensweise passt. Nun hatten sie die Möglichkeit, dem – wie sie es nannten „optischen Grauen bei Beerdigungen“ – entgehen zu könnten. Andere wurden auf der Suche nach neuen Formen der Abschiedsgestaltung übers Internet auf mein Unternehmen w e i s s aufmerksam, oder als Besucher meiner Ausstellungen und Vorträge.
Warum musstest Du noch Sterbebegleiterin und Bestatterin werden? Reicht nicht die künstlerische Konzeption einer Beerdigung aus oder gehört die Dienstleistung unabdingbar dazu?
Ich bin keine ausgebildete Sterbebegleiterin, begleite aber meine Klienten auf deren Wunsch auf ihrem gesamten letzten Weg über den Tod hinaus. Ich fungiere überwiegend als Mut-Macherin, Eigeninitiative in der Abschiedsgestaltung zu ergreifen und als künstlerische Bestattungs-Beraterin. Ich möchte den Menschen die Angst nehmen, den letzten Abschied selbst zu gestalten und auch durchzuführen. Auch in diesem Bereich können wir uns zu mündigen Bürgern entwickeln, die selbstbestimmt handeln und gut informiert sind, damit sie wissen, wie sie Ihre Wünsche in die Tat umsetzen können. Ein längst überkommenes Obrigkeitsdenken hat an dieser Stelle nichts verloren. Schön ist, dass ich mittlerweile auf ein großes künstlerisches Netzwerk zurückgreifen kann, das ich über die Jahre aufgebaut habe und bei Bedarf meinen Klienten zur Verfügung stellen kann.
Zu den Bestattungen lädst Du Musiker und Literaten ein, die eine Bestattung als unvergessliche Performance gestalten. Was für eine schöne Würdigung des Verstorbenen. Also legst Du einen großen Wert darauf, dass sich Deine Rituale von den herkömmlichen unterscheiden. Was wird gespielt, vorgelesen, gesungen?
Rituale sind kulturell eingebundene Handlungsabläufe, die Sinn machen und Halt und Orientierung geben. Ich möchte keinen Trends nachgeben, oder Unernst im Ritual. Rituale bilden sich über lange Zeiträume heraus und haben einen tiefen Sinn. Christliche Rituale zum Beispiel spenden Trost durch den Glauben an die Auferstehung. Im Rahmen einer Abschiedsfeier versuche ich die Angehörigen und den Freundeskreis zu motivieren, selbst vorzutragen oder zu musizieren. Ich spreche Empfehlungen aus: Musik, die live gespielt wird, Schauspieler, die Lyrik oder Literatur vortragen, da kann z. B. gerne mal ein Robert Gernhardt Gedicht dabei sein. Tanz, oder auch Märchen, die ja symbolische Lebensweggeschichten sind. All das auf höchstem künstlerischen Niveau. Wichtig dabei ist, der immergleichen „Musik vom Band“ Live Musik entgegenzusetzen – auch und besonders das Neue und Unvorhergesehene, noch nie gehörte, extra zu diesem Anlass komponierte. Ich biete an, dass Menschen, die ihre eigene Trauerfeier planen wollen, ihre Musik von Musikern, die später am Grab live musizieren, einspielen und auf CD brennen lassen können. Ich habe eine sehr bewegende Live Performance am Grab erlebt mit den Lieblingsstücken „Stark wie Zwei“ von Udo Lindenberg und „Nur zu Besuch“ von den Toten Hosen. Beides konnte die Auftraggeberin vor ihrem Tod anhören so oft sie wollte.
Was ist die größte Herausforderung bei Deinem Job? Vielleicht magst Du uns eine unvergessliche Situation aus Deinem beruflichen Alltag erzählen.
Klingt jetzt wahrscheinlich seltsam, aber die größte Herausforderung ist für mich, für meine Dienstleistungen Rechnungen zu schreiben, denn ich lebe von dem Tod anderer Menschen. Das hinterlässt immer ein ungutes Gefühl bei mir, denn der Kontakt zu den Menschen, mit denen ich in dieser sehr persönlichen bis intimen Situation zu tun habe, wird meistens sehr intensiv, da wird es für mich schwer die Grenze zwischen Freundschaft und Geschäft zu ziehen. Unvergessliche Situationen gibt es viele. Viele davon sind zu privat, als dass ich sie erzählen könnte. Ich denke oft daran, wie sich die weiß gekachelte Pathologie eines Krankenhauses durch die besondere Ausstrahlung eines unserer Särge plötzlich in einen fast kontemplativen, spirituellen Ort verwandelt hat. Wie einer unserer todkranken Klienten sich seinen roten Sarg von uns in das unbenutzte Schwimmbad seines Bungalows hat liefern lassen und uns dabei begeistert fotografierte. Wie meine sterbende Schwester mich eines Abends gebeten hat, ihre von einer Textilkünstlerin für sie persönlich handgefilzte Sarginnenausstattung und ihre Sargkleidung, die sie sich selbst zurecht gelegt hatte, vor ihrem Krankenbett auszubreiten. Mit der Bemerkung: „Schön, gefällt mir. Ich bin zufrieden. Du brauchst es nicht mehr einzupacken“ schickte sie mich nach Hause. Am nächsten morgen ist sie gestorben.
Möchtest Du mit w e i s s über den tod hinaus Deinen Kunden und Mitstreitern die Angst vor dem Tod nehmen?
Nein, das wäre ja vermessen. Die Angst vor dem Tod kann jeder nur für sich selbst in den Griff bekommen. Ich glaube aber, dass die Auseinandersetzung und das tägliche Denken an den Tod zur Lebensklugheit beiträgt.
„Alle Kunst entsteht aus Angst vor dem Tod“ sagte einst Hermann Hesse. Wie ist Dein persönliches Verhältnis zum Tod?
Angst vor dem Tod ist für mich tatsächlich ein zentraler Impuls, mich auf künstlerischer Ebene mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Mich faszinieren die damit verbundenen Grenzerfahrungen, die sich in der Kunst widerspiegeln. Angst vor dem Tod setzt bei mir ein Daraufzugehen, nicht ein Verdrängen, in Kraft, ganz nach dem Motto: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.“
Weißt Du wie Deine eigene Bestattung aussehen soll?
Hauptsache, die, die mich dereinst bestatten, wissen es. Ich spreche oft darüber und hoffe, dass einige meiner Wünsche auf fruchtbaren Boden fallen. Wichtiger ist es mir allerdings, dass ich so sterbe, wie ich es mir erhoffe, nämlich nicht plötzlich und unvorbereitet, sondern ganz bewusst, aber schmerzfrei und in dem Hospiz meiner Wahl zu dem ich heute schon freundschaftliche Kontakte pflege und dass es mindestens einen Menschen gibt, für den dann sozusagen die Uhren stehen bleiben, der dann alle Zeit der Welt hat und nicht in die Arbeit oder zu anderen Terminen muss, um mich über den Tod hinaus zu begleiten. Meinen Sargschrank für danach habe ich ja schon zu Hause stehen, den muss man nur noch flach legen und die Regalböden herausnehmen, dann möchte ich darin gerne offen aufgebahrt werden. Wenn ich jetzt sterben würde, wünschte ich mir eine kirchliche Trauerfeier mit dem Pfarrer meiner Wahl, von dem ich weiss, dass er die richtigen Worte findet. Mein künstlerisches Netzwerk wird sicher einen schönen unkonventionellen Beitrag zur Abschiedsfeier leisten. Es darf ruhig romantisch sein, es darf geweint werden, es darf traurig sein und schwarz darf auch anziehen wer will. Zur Stärkung danach sollte es aber einen üppigen und ausgezeichneten Leichenschmaus geben, so dass sich die Tische biegen. Mein größter Wunsch ist, das all das passiert, ohne dass ein Bestattungsunternehmen eingeschaltet wird, also eigentlich ein Gemeinschaftsprojekt meiner Angehörigen und Freunde. Lasst Euch sagen: Ihr schafft das!
Woher schöpfst Du Kraft, um die persönlichen Schicksale der Verstorbenen und deren Angehörigen nicht zu nah an sich ran zu lassen? Geht Mitfühlen und Mittrauern ohne mitzuleiden?
Stille und Natur sind für mich die größten Kraftquellen überhaupt. Ich habe in meiner näheren Umgebung ein paar Kraftorte für mich entdeckt, wohin ich mich nach Bedarf zurückziehe. Dort bin ich alleine und kann in das Hier und Jetzt versinken, weltlicher Schmerz, Trauer, Mitgefühl, Mitleid und Selbstmitleid relativieren sich. Kann ich nicht in die Natur fahren, suche ich Kirchenräume auf, meistens architektonisch modern gestaltete, die nicht ablenken von der inneren Anschauung. Außerdem gehe ich regelmäßig Sonntags in den Gottesdienst, das strukturiert meine Arbeitswoche und lässt mich inne halten, schenkt mir Trost und lässt mich das was ist reflektieren. Ich fühle mich dadurch in einer größeren Gemeinschaft geborgen und willkommen. Ich bin möglichst oft in meiner Wahlheimat Griechenland, wo ich neue Kraft schöpfen kann, das Licht dort heilt alle Betrübnis.
Was ist der größte Trost für die Menschen, die wissen, dass sie bald sterben? Und für deren Angehörige? Was kann ein Lebender vom Tod lernen?
Ich habe auf dem Entrepreneurship Summit einen wunderbaren Vortrag von Heini Staudinger gehört. Wie er möchte ich bei dieser schwierigen Frage am liebsten Rilke zitieren: „Und wenn ich abends immer weiter ginge aus meinem Garten, drin ich müde bin, ich weiß: dann führen alle Wege hin zum Arsenal der ungelebten Dinge“. Staudinger interpretiert das so: Ein Arsenal ist eine Waffenkammer. Wenn die sich mehr und mehr mit eigenem ungelebtem Leben füllt, dann füllen sich unsere persönlichen Waffenkammern mit immer mehr Aggression gegen uns selbst, gegen die Umwelt und gegen Mitmenschen. Was wir vom Tod lernen können ist, unser Leben in Achtsamkeit zu leben und unsere Endlichkeit nicht zu verdrängen, sondern sie bewusst zu akzeptieren.
Hast Du auch Wunderheilungen erlebt? Also man hat sich auf den Tod eingestellt und ist trotzdem gesund geworden, alles war quasi umsonst?
Nein, aber ich hoffe, das erlebe ich noch.
Und was ist mit dem Leben nach dem Tod?
Sofern es das gibt, ein Leben nach dem Tod.
Eigentlich bist Du Goldschmiedin und Schmuck ist dein Erfolgsstandbein. Stellst Du auch sogenannten Trauerschmuck her? Wie unterscheidet er sich vom normalen Schmuck?
Trauerschmuck war um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts eine eigenständige Schmuckgattung. Ich selbst habe früher, um Trauer und Verluste zu verarbeiten ausprobiert, ob ich diese Gefühle in Schmuck verarbeiten kann. Ansatzweise ist mir das auch gelungen. Bergkristalltränen, die als Ohrschmuck getragen werden können und Ähnliches. Für mich war das Medium Schmuck aber nie so richtig geeignet, um es mit dem Thema Trauer zu verbinden, obwohl ich mittlerweile auch zeitgenössische Schmuckkünstler mit ausstelle, die sich in ihrer Arbeit ganz intensiv mit Themen wie Vergänglichkeit, Morbidität, Vanitasmotiven und ähnlichem beschäftigen. Aus diesen beiden beruflichen Polen ist wohl entstanden, dass ich meinem Unternehmen w e i s s über den tod hinaus das Zitat von Victor Hugo vorangestellt habe: „Der Tod und die Schönheit sind zwei tiefgründige Dinge, die ebenso viel Schatten wie Licht in sich tragen, als seien sie zwei Schwestern, schrecklich und schöpferisch zugleich. Dasselbe Rätsel und dasselbe Geheimnis bergend.“
Was würdest Du jungen Start-Ups mit auf den Weg geben?
Ich möchte Ihnen ans Herz legen, genauestens zu prüfen, ob ihre Gründungsidee und das was sie tun, stimmig zu ihrer Person ist und ob sie davon durch und durch ergriffen sind. Vieles ist heute austauschbar geworden. Die virtuelle Welt entzieht sich immer mehr der tiefen Sehnsucht der Menschen nach Nähe, Geborgenheit und gegenseitiger Fürsorge. Die zentrale Sehnsucht aller Menschen ist aber, zu berühren und berührt zu werden, nicht nur körperlich, sondern auch und vor allem im Inneren. Vernachlässigen Sie diesen Aspekt nicht, denn das sind die grundlegenden Bedürfnisse Ihrer zukünftigen Kunden. Tun Sie das, was Sie tun mit Liebe und: erlernen Sie eine Handwerkskunst.
Liebe Lydia, herzlichen Dank für dieseses wunderbare Interview!
w e i s s über den tod hinaus ist ab November bei PAULINA’S FRIENDS im BIKINI BERLIN repräsentiert.