Gebabbelt mit: Store-Inhaberin
Text: Anna Köhler / SALON STORIES
© by Miriam Künzli
Es war wieder einer dieser derb kalten Tage in Berlin, als ich vorletztes Wochenende rund um den Ku`Damm unterwegs war. Auf Bummeln bei schneidigem Wind hatte ich keine Lust, also stattete ich spontan dem Bikini Berlin mal wieder einen Besuch ab. Um Store Inhaberin Paulina zu treffen.
Jeder, der schon einmal in dieser Concept Mall war, kennt sicherlich diese spannenden Pop-Up-Stores, die in hölzernen Ladenkonstruktionen beziehungsweise Boxen zu finden sind. Mein eigentliches Ziel war ein kurzer Stopp auf einen Cappuccino in einem der kleinen Cafés, als mir beim Vorbeilaufen ein äußerst interessant bestückter Kleiderständer in einem der Stores auffiel. Ich wittere Vintage schon aus 100 Metern Entfernung und mein Instinkt hat mich mal wieder nicht getäuscht. Ich stolperte in den schönen Concept Store PAULINA’S FRIENDS von Paulina Tsvetanova, in dem ich nicht nur fantastische Vintage-Stücke, sondern auch spannende Kunst fand. Hach, mein Herz flatterte und Paulina und ich versanken sehr schnell (zum Leidwesen meines Göttergatten, der die Lage nicht erkannte und seine Zeit irrend im Bikini vertrödelte) in ein laaaanges Gespräch über das Aufstöbern von Vintage in Paris, die Kunstwelt, Berlin, Berliner und Frankfurter und über die Tatsache, dass die Welt ein verrücktes Dorf ist.
Das Konzept von PAULINA’S FRIENDS ist einfach genial und ich muss sagen, dass ich die liebenswerte Store-Inhaberin Paulina wirklich darum beneide, dass sie ihren Traum von der Selbstständigkeit mit einem eigenen Concept Store wahrgemacht. Solche Ideen sind der Grund, warum ich in Zeiten von Online-Shopping trotzdem noch gerne auf die Suche nach individuellen Geschäften offline gehe.
© by Siegfried Purschke (Axel Springer)
Liebe Paulina, erzähle doch einmal von Deinem Store-Konzept. Was ist die Idee dahinter?
Der Store ist die erste Berliner Concept Galerie – eine Mischung zwischen Kunstgalerie & Concept Store. Wir bauen Brücken zwischen allen Kunst- und Designgattungen. Von bildender Kunst (Malerei, Skulptur, Zeichnung, Fotografie, Video, Mixed Media) über angewandte Kunst & Design (Schmuckkunst, Keramik, Glas, Textil, Interior, Produktdesign) bis hin zu exklusiver Vintage-Designer-Mode reicht das ausgefallene, extravagante Sortiment. Alle Exponate sind ausschließlich handgefertigte Unikate, also es gibt keine zwei gleichen Teile im Laden. Der Laden ist eine Wunderkammer zum Verweilen, Inspirieren, Stöbern, Sammeln. Die Präsentation lebt vom dynamischen Wechsel und den ständigen Überraschungseffekten.
Wie hat sich die Idee für den Mix aus Vintage und Kunst entwickelt? Gab es so etwas wie einen „Aha-„Moment?Eigentlich nicht. Oder doch, eher war der Aha-Moment die Frage was ich liebe, was mich erfüllt. Eine schrille, ungewöhnliche Mischung sollte es unbedingt sein. Vintage habe ich immer geliebt, gesammelt, getragen, bewundert. Und mit Kunst habe ich zu tun seitdem ich auf dieser Welt bin…
Du hast Deinen Pop-Up-Store mitten im Bikini Berlin. War es schwer in Berlin geeignete Räume zu finden bzw. wie hat es sich ergeben, dass Du gleich eine so tolle Location gefunden hast?
Es war relativ herausfordernd, ja. In einer Großstadt mit Tausenden von Facetten im Voraus abzuschätzen, wo meine Zielgruppe tatsächlich ist. Und dann sollte es ein Ort mit Laufkundschaft sein, der bezahlbar ist, und ohne Bindung an mehrjährigen Verträgen. So kam ich über GoPopUp auf die Idee, zunächst einmal einen temporären Raum anzumieten um das Konzept zu testen. Bikini Berlin ist die Concept Mall in Berlin schlechthin, und dabei sehr touristisch und beliebt als Flanierort. Das soll jedoch nur der Anfang sein.
Wie schätzt Du die Konkurrenz in Berlin ein? Ist dort Vintage ein so großes Thema wie zum Beispiel in London, wo es ganze Straßenzüge mit Vintage-Läden gibt?
Ja, auch in Berlin gibt es viele Läden, die Vintage-Mode verkaufen. Aber niveauvoll sind die wenigsten. Außerdem gibt es solang keinen Store, der meine Mischung von ausgefallenen Produkten anbietet. Vintage-Mode im Umfeld der Kunst auszustellen, zu inszenieren, zu kuratieren. Das Historische mit dem Zeitgenössischen, das Klassische mit dem Futuristischen…
© by PAULINAS FRIENDS
Was hast Du für Kundschaft? Sammler? Fashionistas? Eher Berliner oder eher Touristen?
Ganz unterschiedlich – grundsätzlich 60 % Touristen, 40 % Westberliner in etwa. Manchmal kaufen bei mir aber auch Leute ein, die ich mir nie im Leben als Kunden ausmalen würde. Es sind meist Intellektuelle, Gutverdiener, international, aufgeschlossen, 90 % Frauen. Ich hatte aber auch Studentinnen, die nicht unbedingt einkommensstark sind, oder Senioren aus der ehemaligen DDR. Entscheidend ist, dass man sich in ein gewisses Exponat verliebt – dann spielt Verdienst, Geschmack, Herkunft, Alter etc. keine Rolle.
Wo findest Du Deine Vintage-Schätze? Wo die passende Kunst etc.?
Ich muss sie tatsächlich lange suchen – meistens kaufe ich in Paris auf bestimmten „marché aux puces“ ein, manchmal bei Etsy, manchmal in kleinen versteckten Vintage-Geschäften in Berlin. London wird ein nächstes Einkaufsziel sein, Du hast mich definitiv für das Clerkenwellvintage Fashion Fair begeistert, liebe Anna! Kunst- und Design ist bei mir Kommissionsware – ich leihe sie mir von streng selektierten Kreativen aus, denen ich auf meiner bisherigen beruflichen Laufbahn begegnet bin.
Ich habe bei meinem Besuch in Deinem Store Schätze von Labels wie Kenzo, YSL oder Prada gesehen. Wie selektierst Du beim Einkauf Deiner Vintage-Stücke bzw. was muss ein Stück haben, damit es bis in Deinen Store schafft?
Es sollte möglichst aus den 30-90 Jahren stammen. Extravagant, einmaliger Schnitt, lebensfrohe Farben, Muster, künstlerisch, handverlesen, rar. Die Stücke wollen einfach zu mir. Ich erkenne sie auf meiner „Suche“, und das Ganze bezeichne ich dann als glücklicher Zufall (serendipity). Man kann darüber stundenlang diskutieren, wie man den Zufall dermaßen „systematisieren“ kann, dass man auf Dinge trifft, die für einen bestimmt sind. Und dabei überlässt man alles dem Zufall oder besser gesagt der glücklichen Fügung!
Was war das erste Vintage-Stück, das Du für Deinen Store gefunden hast?
Eine maßgeschneiderte knallbunte Jacke, entstanden in den 90-er Jahren nach einer meiner Kindheitszeichnungen. Meine Zwillingsschwester hatte die gleiche, bloß mit spiegelverkehrten Farben. Wir sind im Doppelpack durch die Straßen gelaufen und man hat uns hierher gepfiffen „Welcome to the circus“ 🙂 Diese Jacke ist übrigens das beliebteste Stück im Laden bisher, doch immer noch nicht verkauft, komisch, oder?! Vielleicht sollte ich diese wieder tragen.
Du bist studierte Kunsthistorikerin, hast Dich dann aber entschieden, deinen Traum vom eigenen Geschäft umzusetzen. Wer hat Dich unterstützt, oder hast Du Dich alleine durch den Dschungel von Existenzgründungsseminaren, Finanzierung und Co. Geschlagen?
Nachdem ich meinen letzten festangestellten Job (Leitung Marketing & Vertrieb bei einem Magazin für Kunst & Design) gekündigt hatte, blieben mir genau 6 Monate Zeit für die Gründung von PAULINA’S FRIENDS. Einen Gründerzuschuss oder Bankkredit habe ich nicht bekommen, im Nachhinein bin ich aber froh drüber, sonst hätte ich nicht so schnell meine Vision realisiert. Nach zwei Beratungen in der Gründerinnenzentrale und beim Kulturförderpunkt, sowie einem intensiven Existenzgründerseminar wurde mir klar, dass ich vieles schon ganz intuitiv richtig gemacht habe. Hätte ich mir Sorgen um die Finanzierung, Liquidität, Gewerberäumlichkeiten etc. gemacht, hätte ich es nie gewagt.
Was rätst Du anderen, die auch einen Laden eröffnen oder sich selbstständig machen wollen? Einfach machen, nicht lange darüber nachdenken und sich in Risiken verlieren. Fragt Euch was Ihr wirklich liebt und bei welcher Tätigkeit Ihr Eure Talente und Fähigkeiten 100 % entfalten könnt. Vielleicht sind es mehrere Tätigkeiten, dann kann man sie verbinden und daraus eine Geschäftsidee basteln.
Im Januar ist die Finisage Deines Po-Up-Stores. Was planst Du anschließend?
Nach einer spektakulären Modeschau werden wir nach Berlin-Mitte in feste Räumlichkeiten umziehen.
Vielen Dank, liebe Paulina, für das spannende Interview und ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch bei Dir!!
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© by Bikini Berlin
© by Bikini Berlin
© by Siegfried Purschke (Axel Springer)
© by Siegfried Purschke (Axel Springer)
© by Siegfried Purschke (Axel Springer)
© by PAULINAS FRIENDS
Für eine Vintage- und Kunstbroschüre wurden spannende Persönlichkeiten mit den Vintage-Stücken an besonderen Orten in Szene gesetzt:
Stéphanie Höfler, Conservateur an der Bibliothèque Nationale de France
in der Sophienkirche und in einem 70er-Jahre-Kleid
© by Anka Bardeleben für PAULINA’S FRIENDS
Surimaya Hartmann, Referentin für Kulturpolitik bei der
Konrad-Adenauer-Stiftung am Haus Schwarzenberg in einer Traumweste
von KENZO (#ichsolltemichdochaufgrösse36hungern)
© by Anka Bardeleben für PAULINA’S FRIENDS
Aranay Maldonado Sainz, Schülerin und Model, in einem
Oberteil von Roberto Cavalli © by Anka Bardeleben für PAULINA’S FRIENDS
Magali Diallo, Marketing-Studentin, an der East Side Gallery und in
einem 60er-Vintage-Kostüm und einem ETRO-Blazer
© by Anka Bardeleben für PAULINA’S FRIENDS