Von der Hand getanzt
Kathrin Uthe ist eine vielseitige Künstlerin. Ihr Œuvre umfasst mehrere Kunstgattungen, Techniken und Materialien. Den Kern der Ausstellung „Synchron“ (9.-23.11.) bei PAULINA’S FRIENDS zeigt zeitgleich zur Impression von Tanz und Musik entstandene Kunst. Die Hannoveranerin hat uns einen Einblick in Ihr Atelier und ihre künstlerische Welt gewährt.
Liebe Kathrin, du hast Kunstgeschichte und visuelle Kommunikation studiert. War das ein langer Weg, bis Du zu dem geworden bist, was Du heute bist?
KU: Ja, in gewisser Hinsicht schon. Es gibt ein großes Bild von Paul Klee, das heißt „Hauptweg und Nebenwege“. Daran muss ich denken. Zeichnung, Plastik, Fotografie? Was war der Anfang? Die Zeichnung. Mein Interesse galt dann auch bald dem Aktzeichnen. An der FU Berlin, Kunstgeschichte, wurde ein Kurs angeboten. Dort zeichnete ich zum ersten Mal ein Aktmodell. Die räumliche Situation war allerdings nicht gerade ideal. Es war ein Seminarraum ohne Atmosphäre. Später an der Hochschule der Künste waren die räumlichen Bedingungen beim Aktzeichnen weitaus angenehmer.
In deiner plastischen Arbeit geht es viel um Mythologie – was ist Dein persönlicher Bezug dazu?
In der griechischen Mythologie finde ich Figuren, die mich zu einer Auseinandersetzung mit deren Gestalt, Geschichte oder Wesen reizen. Ich kann meine persönliche Sicht auf sie bildnerisch umsetzen. Wiederkehrend waren eine Zeit lang Ikarus, Daphne und die Sphinx. Viele Menschen kennen diese Protagonisten, wissen um ihre Geschichte.
Du arbeitest in klassischen bildhauerischen Materialien und Techniken, vorzüglich in Bronze. Ist das zeitgenössisch und zeitgemäß?
Ja, ich arbeite in Ton für Gips und Wachs für Bronze. Und ich liebe diese Materialien. Sie sind mit den Händen formbar. Das Material ist wandelbar, nichts ist vorbestimmt und der Arbeitsprozess ist mitunter ein sehr langer, von vielen Verwerfungen begleiteter Weg. Zeitgenössisch, zeitgemäß, was ist das? Wer klassifiziert ? Letztendlich kommt es auf die Qualität, Ästhetik und Aussage an. Wenn jemand mit Pappe eine überzeugende Plastik schafft, warum nicht? Das Material ist nicht ein Zeichen für zeitgenössisch oder nicht, sondern Form und Inhalt.
Woraus schöpfst du Kraft und Inspiration?
Ich bin viel in der Natur unterwegs. Dies gibt mir Zeit zum Denken. Wenn ich arbeite und dabei mit meinen Anliegen vorankomme, motiviert mich das zusätzlich. Ich bekomme Anregungen aus der Literatur, im Tanztheater und durch das Hören von Musik.
Gibt es Arbeiten, von denen Du Dich nie trennen würdest und warum?
Ja, solche Arbeiten gibt es. Es sind die, wo ich etwas für mich entdeckt habe oder die eng mit mir verknüpft sind.
Erzähl uns etwas über die Motive, die häufig bei Dir auftauchen – Stuhl, Tipi, etc..
Der Stuhl und das Tipi sind erst in den letzten Jahren in meinen Arbeiten aufgetaucht. Wobei der Stuhl an sich mich schon lange interessiert. Er steht stellvertretend für eine Person. So habe ich zum Beispiel bei mir zuhause zwei alte Stühle. Einen Thonetstuhl Stuhl, den mir meine Mutter geschenkt hat, und von meinem Opa einen mächtigen alten Bürostuhl, der fast aussieht wie ein Thron. Diese beiden Stühle haben jeweils einen bestimmten Charakter. Thonetstuhl – grazil – weiblich; Bürostuhl – mächtig – männlich. Es gibt eine Serie von Photos mit dem Titel „stellvertretend“, in denen Stühle in unterschiedlichen Situationen zu sehen sind. Diese Stühle stehen stellvertretend für Personen.
Das Tipi ist durch Zufall zu meinem Motiv geworden. Auf einem Waldspaziergang photographierte ich ein Tipi in einer besonderen Licht Situation. Dieses Motiv benutzte ich für weitere Photobearbeitungen. Ich verknüpfe das Motiv „Tipi“ mit anderen Themen wie Geheimnis, Traum, Geborgenheit, Natur, Märchen.
Hat Deine Kunst eine Kernaussage, die sich durch alle Werke zieht?
Wie Ton und Wachs ist alles wandelbar. Konstant ist das Thema „Individuum“ in vielen Variationen. In fast allen meinen Werken ist der Mensch direkt oder stellvertretend durch die Motive oder Spuren, die er hinterlässt, sichtbar.
Gibt es Träume in der Kunst, wie auch im Leben, die du gerne verwirklichen möchtest?
Ja, zum Beispiel träume ich von einem warmen Atelier im Winter. Arbeiten mit gleichgesinnten Menschen an ausgesuchten Themen. Die Welt durch künstlerische Eingriffe oder Impulse zu verändern. Die Digitalisierung der Welt entschleunigen und auf ein Menschen verträgliches Maß zu reduzieren. Greifbare Kunst machen. Dinge schaffen, die zum Nachdenken anregen.
Hast du eine Vision, die für Dich größer und mächtiger ist als die Kunst?
Positive Veränderung der globalen Gesellschaft.
Welche Themen aus dem Zeitgeschehen beschäftigen Dich besonders, und wie spiegeln sie sich in Deinem künstlerischen Schaffen?
Mich interessieren viele Themen des aktuellen Zeitgeschehens – insbesondere die Themen Digitalisierung und Umwelt. Diese Themen kann ich zum Beispiel wunderbar mittels der griechischen Mythologie umsetzen.
In Deinem Werk geht es nicht nur um Musik und Tanz, sondern auch viel um Zufall. Wie definierst du den Zufall?
Zufall ist für mich eine rein subjektive Beschreibung von Vorgängen. Beim kreativen Arbeiten kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein Farbklecks ungewollt auf dem Papier landet. Zufällig an der „richtigen“ Stelle. Oder der Klecks landet so, dass ich damit weitermachen oder -kommen kann. Dazu gehört allerdings, dass ich dies so wahrnehme und umsetzen kann.
Warum stellst du bei PAULINA’S FRIENDS aus? Was gefällt Dir am Konzept?
Paulina habe ich vor einigen Jahren in der Bildgießerei Flierl kennengelernt. Offen, interessiert, Austausch, Rundgang durch die Gießerei, viel vorgestellt, viele Informationen gegeben. Energiegeladen, sympathisch und engagiert für die Kunst. Durchlässiges und lebendiges Konzept. Es gibt keine Einschränkungen außer denen im eigenen Kopf.
Vielen Dank für das Interview, liebe Kathrin!
Herzlich Willkommen zu Kathrin Uthes Ausstellung „Synchron“ in der Concept Galerie PAULINA’S FRIENDS bis zum 23.11. Hier Einige Impressionen von der Rauminszenierung.